Deutschlandfunk Interview
  28.9.02 live von der Photokina

Die manchmal abgebrochenen Sätze und der grammatikalische Unsinn ergeben sich aus der direkten und unkorrigierten Übertragung des gesprochenen Wortes einer Livesendung.







(Musik)

Andreas Stopp: Das sind keine gewohnten Töne, meine Damen und Herren. Das liegt daran, daß sich Markt und Medien, unser wöchentliches Medienmagazin im Deutschlandfunk heute nicht aus dem Studio meldet, sondern wir sind hinausgegangen einige Meter über den Rhein zur Photokina. (…) Wir haben uns für heute natürlich einen besonderen Inhalt hervorgenommen, wir werden nicht Ihnen ein Kaleidoskop vorschlagen können über all die Themen, die in dieser Woche wichtig waren im Bereich der Medien im Inland und im Ausland, da diese Weltmesse der Fotografie hier stattfindet und Weltmesse des Bildes auch, da haben wir gesagt: wir möchten einmal über die Halbwertzeit des Visuellen reden. Wie lange hält eigentlich ein Bild? Wie schätzen wir den Wert eines Bildes? Woran erkennen wir was hier fotografiert wird und wie vielleicht die Vorgeschichte war? Kunstobjekt, das Foto? Oder schnöde schlicht und einfach nur Handelsware? So haben wir unsere Sendung für heute überschrieben. Wir sind Ohr-Leute im Prinzip: Sie kennen die Kollegin Bettina Schmieding von der Stimme her. Wenn Sie hier wären auf der Weltmesse des Bildes könnten Sie sehen, daß sie blonde Haare hat und blaue Augen und das bringt uns zu unserem Thema…

Bettina Schmieding: Unser Thema ist das Bild natürlich, meine Damen und Herren. Eingeladen haben wir drei Gäste und einen zugeschalteten Gast in München. Ich geh´mal der Reihe nach vor. Zu Gast sind bei uns: Lutz Fischmann, er ist Herausgeber das Magazins FREELENS und gleichzeitig Geschäftsführer des gleichnamigen Verlages, Karsten Weber ist da gemeinsam mit Martina Stache, beide haben ein gemeinsames Filmprojekt jetzt gerade beendet, das in den nächsten Wochen vorgestellt wird. Ein Film namens Faites vos Jeux, der so eigentlich gar nichts mit dem zu tun hat was man so gemeinhin unter Film versteht, sondern ganz andere Medien benutzt und ganz andere Fertigkeiten verwendet um einen Film am Ende dabei herauskommen zu lassen. Und zugeschaltet ist Herlinde Kölbl im Studio in München, die heute nicht bei uns ist, sondern mit uns zusammen die Sendung gestalten wird. Sie ist eine international bekannte und vielfach ausgezeichnete Fotografin, die Sie vielleicht von ihren Filmprojekten her kennen, die in den letzten Monaten und Jahren auch im Deutschen Fernsehen gelaufen sind, zum einen ist es "Die Meute", ein Film über die Journalisten und Fotografen in Berlin, zum anderen allerdings auch ein Film über Politiker. Ein Langzeitprojekt bei dem immer wieder verschieden Politiker/Politikerinnen zu Wort gekommen sind.

Andreas Stopp: Frau Kölbl, nun kennen wir Sie schon, wie meine Kollegin gerade sagte über das Buch "Die Meute", aber Sie treten jetzt einmal mehr in das Licht der Öffentlichkeit, Sie bereiten gerade ein neues Buch vor. Es wird, glaube ich, in der nächsten Woche erscheinen. Sie haben sich mit Schlafzimmern beschäftigt. Lassen Sie mich aber zunächst, ehe wir auf dieses Buch zu sprechen kommen… Frau Kölbl, warum sind Sie eigentlich nicht auf der Photokina? Sie müßten doch eigentlich von Berufs wegen hier durch die Hallen laufen!

Herlinde Kölbl: Was man tun muß und was man tun müsste? Ich glaube man muß sich freimachen von dem, was man immer tun muß. Ich hatte in München Termine (…)

Bettina Schmieding: Das Bild, Frau Kölbl, das Bild spielt ein Rolle. Und nicht nur hier auf der Photokina, aber besonders hier. Man sieht Menschen an diesem Stand vorbeilaufen mit weit aufgerissenen Augen, die Taschen voll mit Pröbchen, also Ware, die man hier an den Ständen bekommt, Abzüge von Fotos und kleinen Filmen, Proben, Prospekten von neuen Kameras, neuen Speichermedien, d.h. das Bild ist irgendwie wichtig für den Menschen schlechthin. Warum macht sich der Mensch eigentlich so gerne ein Bild, Frau Kölbel?

Herlinde Kölbl: Das Bild ist das Wichtigste, das Bild ist wichtiger als Worte, weil das Bild direkt die Emotionen anspricht und nicht erst über den Intellekt verarbeitet werden muß. Und deshalb ist es auch so, daß die Bilder Nachhaltiger im Gedächtnis bleiben als Worte, wenn sie also zum Beispiel die Mondlandung nehmen, den Krieg in Vietnam. Das sind noch kleine Beispiele dafür. Es gibt noch viele andere, wo Bilder es geschafft haben Ikonen zu werden. Und wenn ein Bild verschieden Inhalte hat, daß es ganz Grundsätzliches erzählt, Essentielles erzählt, eine gute Komposition hat und dann stellvertretend für eine ganze Zeit spricht, dann, glaube ich, haben Bilder einen Wert oder schaffen es ins Gedächtnis der Menschen zu kommen und zu bleiben, wie kaum ein Wort es kann. Und deshalb sind Bilder immer wieder so wichtig!

Bettina Schmieding: Andreas Stopp hat es bereits angesprochen: Sie haben ein neues Buch herausgegeben mit dem Titel "Schlafzimmer". Dafür sind Sie in verschiedene Städte der Welt gereist und Menschen in Schlafzimmern fotografiert. Wie haben die auf dieses Ansinnen reagiert? Haben die ihre Türen gerne aufgemacht?

Herlinde Kölbl: Meistens. (bla bla)

Andreas Stopp: Wie erklären Sie sich, Frau Kölbl, daß genau in dieses hochheiligste innerste Zentrum der Intimität ein Fotograf ein Fotograf hinzu gelassen wird?

Herlinde Kölbel: Ich glaube es ist entscheidend wie man soetwas macht. (bla bla)

Andreas Stopp: Entschuldigen Sie Frau Kölbl, dafür braucht man natürlich auch Zeit! So ein Projekt muß ja vorbereitet sein. Wir sind ja hier auf der Photokina umgeben von Menschen, die fotografieren, es geht dabei oft um das schnelle Bild, das direkte. Im politischen Fotojournalismus ist es manchmal gar nicht machbar, daß man vorher fragt, "dürfte ich mal eine Genehmigung haben?" Das bringt uns zu Lutz Fischmann, gerade schon vorgestellt als Geschäftsführers des Verbandes für Fotojournalismus. Mal kurz vorweg gefragt, Herr Fischmann, Sie nehmen mir das nicht übel, aber sprechen Sie sozusagen für die Zunft, mit der Frau Kölbel im Buch "Die Meute" so kritisch umgegangen ist?

Lutz Fischmann: Zum Teil. Ja. Aber nur zum Teil. Die Macht der Medien ist da sehr beschränkt. Frau Kölbl hat da versucht es versucht darzustellen in ihrem Film und ihrem Buch hinterher und die Ohnmacht der Medien wurde ja deutlich. Insofern war es ein gelungenes Buch.

Bettina Schmieding: Frau Kölbl hat ja schon gesagt, daß sie eigentlich eine offizielle Genehmigung für das Fotografieren von Schlafzimmern nicht braucht. Sie muß sich nur mit den Menschen einigen, die dort ihre Nächte verbringen. Das Problem ist etwas anders wenn man losgeht als professioneller Fotograf losgeht und Dinge, die interessant sind fotografiert, beispielsweise den Eiffelturm… Man hört immer wieder der Eiffelturm Menschen gehört und gar nicht allgemein fotografisch zugänglich ist. Woran liegt das?

Lutz Fischmann: Jedes Ding auf dieser Welt gehört eigentlich Menschen. Der Eiffelturm ist erbaut worden von Herrn Eiffel, wie der Name schon sagt und das Problem am Eiffelturm liegt darin, daß nicht der Eiffelturm geschützt wird, sondern das Licht was daran ist. Es ist ein Künstler, der das Licht gemacht hat und in dem Augenblick wo ich ihn fotografieren will und eine Postkarte mache kann es passieren, daß ich verhaftet werde, vor Ort. Es ist schon Fotografen passiert, daß sie in Handschellen abgeführt wurden, weil sie vor dem Eiffelturm zum Beispiel eine Modeaufnahme gemacht haben und wo sie den Eiffelturm als Kulisse benutz haben.

Bettina Schmieding: Wie kann man denn da eigentlich als Urheberrechtsschützer den Fotografen, der das ganze professionell betreibt von dem unterscheiden, der das ganze nur als Tourist macht?

Lutz Fischmann: Das sehen Sie am Stativ! Der Profi hat ein Stativ dabei. Der Amateur in der Regel nicht.

Andreas Stopp: Das ist die einzige Unterscheidung?

Lutz Fischmann: hmhmm! Das ist die einzige Unterscheidung, wobei es noch insoweit kurios ist, daß es in Frankreich noch bis vor kurzem verboten war, bzw. man eine Genehmigung brauchte, wenn man mit Stativ fotografieren wollte. Das betraf z.B. auch die Maronihändler vor Ort, die mussten ihre Geräte abbauen, die nämlich fest installiert waren. Man hat da Sicherheitsgründe vorgeschoben und seit dem haben Fotografen Rollen unter Stativen und damit war es wieder erlaubt.

Andreas Stopp: Also dass bedeutet auch, daß wenn man´s mal ganz schnell und rasch macht und man knipst und es dann hinterher trotzdem veröffentlicht, hinterher kann´s ja keiner mehr nachweisen, was - wann - wie - von wem dieses Foto entstanden ist?

Lutz Fischmann: Das ist korrekt. Es hat noch nie hinterher eine Klage gegeben. Ich komme jetzt hier aber in die Zwickmühle weil ich natürlich für das Urheberrecht stehe, aber es ist schon gerade in Frankreich und Italien ein bißchen verrückt geworden, daß Berge in Privatbesitz sind und man bestraft wird wenn man die fotografiert. Irgendwann muß man auch die Frage stellen wieweit Architektur oder Landschaften nicht mehr zum Allgemeingut gehören.

Bettina Schmieding: Karsten Weber, Sie haben einen neuen Film gemacht. Faites vos Jeux heißt der. Ihnen ist das Urheberrecht wurscht? Ist das richtig?

Karsten Weber: Nicht unbedingt wurscht. Es ist schon ein wichtiges Thema und deshalb sind wir das ziemlich offensiv angegangen zusammengearbeitet auch mit Amerikanern, die das Thema recht lange bearbeiten: Die Copyright Violation Squad ist seit 10 Jahren mit dem Gesetz im Konflikt.

Bettina Schmieding: Was heißt das? Copyright Violation Squad?

Karsten Weber: Das ist eine Gruppe, die ganz bewußt bei Musik das Copyright angreift und zum Teil auch Wert darauf legt vor Gericht zu kommen um ihr Anliegen diskutiert zu haben.

Andreas Stopp: Jetzt müssen wir mal aufklären worum es in diesem Film, was ja ein veritabler Kinofilm ist, überhaupt geht. Matina Stache vom A.K.A.S., was ist A.K.A.S.?

Martina Stache: Das ist ein Videoaktionskreis und Film… ach, wir machen alles mögliche!

Andreas Stopp: Und was bedeutet A.K.A.S.?

Martina Stache: Alles könnte anders sein!

Andreas Stopp: So heiß Ihre Firma sozusagen. Faites vos Jeux heißt Ihr Film. Worum geht´s da genau?

Martina Stache: Das ist ein Film ohne Kamera, der besteht nur aus gesampelten, gefundenen Bildern, ist ein abendfüllender Experimentalfilm, 90 Minuten Länge und eine Zeitreise von den 70er Jahren bis in die nahe Zukunft.

Andreas Stopp: Wer soll den Film gucken? Wer interessiert sich dafür wahrscheinlich?

Martina Stache: Darauf sind wir ganz gespannt. Also (lach) , also meistens sind´s Künstler, dann irgendwelche Filmemacher, natürlich sowas eher… Ab und zu verirren sich auch mal andere Leute ins Kino und darauf sind wir gespannt.

Andreas Stopp: Wollen Sie damit Geld verdienen oder ist das ein rein künstlerisches Interesse, das Sie einfach dazu treibt dieses zu unternehmen?

Martina Stache: Also zweiteres an erster Stelle, aber Geld würden wir schon damit gern verdienen, aber das ist… ein hoffnungsloses Unterfangen!

Bettina Schmieding: Ist das erträglich, was man da zu sehen kriegt? Oder soll man da die Krise kriegen wenn man ins Kino geht und Ihren Film Faites vos Jeux schaut?

Karsten Weber: Ich denke der ist uns relativ unterhaltsam gelungen. Mein Papa war bei der Premiere dabei und der ist über 70, kann mit Experimentalfilmen überhauptnichts anfangen und er war richtig mitgerissen und begeistert.

Bettina Schmieding: Gibt es einen Plot, Herr Weber? Also um was geht es da eigentlich?

Karsten Weber: Worum es geht? Es geht um die Entwicklung der Welt durch die Sicht der Medien, als es ist eine Geschichte, die Geschichte und Mediengeschichte beschreibt. Es geht um Medienstile, es geht um Musikmoden, es geht auch um politische Entwicklungen, die einen Teil des roten Fadens dieses Films ausmachen.

Bettina Schmieding: Frau Kölbl, Sie haben so etwas ähnliches auch schon gemacht. Sie werden sich vielleicht gleich entrüstet abwenden wenn ich sage, daß Sie eine Filmpiratin sind, was Sie natürlich nicht sind, aber Sie haben sich auch schon mit sich selbst beschäftigt, mit ihrer eigene Zunft, den Journalisten, die Sie beobachten bei ihrer eigenen Arbeit. Wie ist das eigentlich angekommen bei Fotografenkollegen, wenn Sie über ihre Zunft der Fotografie nachdenken?

Herlinde Kölbl: Ich habe natürlich festgestellt, daß die Journalisten, speziell die Fotografen empfindlich reagieren, wenn sie selbst beobachtet werden oder gefilmt werden. Sie sind es nicht gewohnt beobachtet zu werden. Sie sind natürlich immer gewohnt die Kamera auf die Anderen zu richten und sie wissen natürlich um die Macht des Mediums und sie wissen aber auch wie man manipulieren könnte und deshalb sind sie auch besonders vorsichtig.

Andreas Stopp: Herr Fischmann, Sie haben auch zugehört wie Frau Stache und Herr Weber gesagt haben, daß ein Film entstanden ist aus 100% zusammengeklautem Material (Zitat!). Dürfen die das?

Lutz Fischmann: Natürlich eigentlich nicht! Nach dem Gesetz in Deutschland dürfen sie es wahrscheinlich nicht. Die Freiheit der Kunst hört da auf, wo Rechte anderer betroffen sind, aber wo kein Kläger ist, da kein Richter… Lassen wir den Film anlaufen!

Herlinde Kölbel: Es gibt da einen Gummiparagraf und man kann da machen und klauen und wenn das angeblich ein neues Kunstwerk ist, dann ist das wieder o.k….

Lutz Fischmann: Nicht unbedingt! Da gibt es auch Grenzen. Es gibt schon Gerichtsentscheidungen, da hat ein realistischer Maler ein Foto nachgemalt und der Maler hat verloren. Das ist immer sehr ambivalent. Wie es im Filmbereich aussieht weiß ich nicht, aber ich kann mir vorstellen, daß das, was Herr Weber hier gemacht hat wahrscheinlich nach dem Gesetz verboten ist.

Bettina Schmieding: Wie finden Sie das denn, Flau Kölbl, daß jemand hingeht und Material klaut? Ich habe mir Ihr neues Buch schicken lassen, "Schlafzimmer" und vorne, bei dem was die Pressestelle Ihres Verlages geschrieben hat ganz klar deutlich gemacht, wie man mit den Bildern verfahren darf, die in Ihrem Buch sind, nämlich gar nicht! Man darf sie nicht vervielfältigen! Wie stehen Sie dazu, daß Menschen Geld damit verdienen in dem sie Material stehlen?

Herlinde Kölbl: Also in dem Falle lege ich ganz großen Wert darauf, und deshalb ist das auch so explizit groß reingedruckt worden, daß die eben wirklich nur für das verwendet werden für das wir miteinander eine Abmachung getroffen haben. Und wenn es dann misverwendet wird, dann schlägt es auf andere Fotografen zurück und dann heißt das: wir haben doch gesehen was daraus wird. Und ich habe natürlich schon oft selbst erlebt, daß viele Bilder oder, da ich relativ viele Ideen habe, einfach wahnsinnig viel geklaut wird. Das finde ich gar nicht lustig!

Bettina Schmieding: Frau Kölbel, wo stoßen Sie bei Ihrer eigenen Arbeit urheberrechtlich an Grenzen?

Herlinde Kölbl: Öööh? Pffff…

Bettina Schmieding: Da sie Portraits machen gibt es diese Grenzen wahrscheinlich gar nicht so viel, wenn Sie das Einverständnis des Portraitierten einmal eingeholt haben?

Herlinde Kölbl: Ja, ich muß immer das Einverständnis einholen und somit bin ich da sowieso begrenzt in meiner Aktivität. Und da ich selber so viele Ideen habe muß ich… also, andere klauen! Das ist noch etwas. Die Ideenarmut vieler Fotografen, muß ich wirklich sagen, ist bedauerlich und da wird natürlich zurückgegriffen auf schon vorhandene Motive und natürlich auch gerade von Werbefotografen wird oft nachfotografiert.

Andreas Stopp: Das können Sie jedoch, Frau Kölbl nicht sehen, bei uns hier in Köln am Stand: die Frau Stache schüttelt hier fast entrüstet das Haupt. Mit der künstlerischen Freiheit ist das ja nun so eine Sache. Als Künstlerin können Sie sich ja so manches erlauben… ähnlich, vielleicht, wie Frau Kölbl.

Martina Stache: Naja, ich glaube wenn Sie sagen, wir sind Künstler und Frau Kölbl nicht, das könnte ja auch… (prust)

Bettina Schmieding: Das hat er gar nicht gesagt…

Marina Stache: o.k.! Also in dem Fall von dem Film jetzt zum Beispiel war uns sehr wichtig zu zeigen: die Sicht der Menschen, die die Menschen auf die vergangenen Jahrzehnte hatten! Und wenn wir so `rumgefragt haben, wurden wir immer auf mediale Ereignisse hingewiesen. Zum Beispiel, was-weiß-ich… Rudi Carell in der 70er Jahren und so weiter und es bezogen sich total viele Leute auf Medien. Und diese Sachen haben wir verwendet und ich meine, das ist genau, wie Herr Fischmann sagte, man fragt sich irgendwann wem der Eiffelturm gehört… Bestimmte Sachen gehen einfach ins Allgemeingut über. Bei der Schleyer Entführung, usw… dieses ganze Material!

Andreas Stopp: Herr Weber, Ihre Kollegin hat´s schon angedeutet: müsste man ja eigentlich weiter folgern, daß Sie fast auch schon ein bißchen als Journalist fühlen, nicht nur als Künstler? Gibt es da Überschneidung zwischen Journalismus und künstlerischem Sich-Bedienen des Mediums Film und Foto?

Karsten Weber: Also eindeutig! Es ging nicht nur darum oder es ging recht wenig darum ein Kunstwerk zu schaffen, sondern es ging darum die Welt zu beschreiben, und wie man sie sieht und wie das kollektive Unterbewußtsein Bilder von der Welt hat. Und die Bilder sind oftmals nicht selbstgemacht, also wir haben auch Amateurfilm genommen, wir haben Super 8 Material aus den Siebzigern von irgendwelchen Familien mit verwurstet, genauso, wie wir Bilder vom 11. September mir reingesetzt haben. Wir haben bei keinem der Bilder vorgegeben es wäre von uns, sondern das Symbol ZDF oder CNN ist in der Ecke des Bildes zu sehen und es ist bewußt eine Kollage aus Bildern, die inzwischen als Allgemeingut in der Erinnerung der Menschen sind.

Bettina Schmieding: Gehen wir noch mal zurück von der Filmgruppe Chaos zum Establishment… Welche ganz konkreten Probleme hat ein Journalist oder ein Fotojournalist, der von seiner Tätigkeit leben muß - in Bezug auf das Urheberrecht?

Lutz Fischmann: Also im neuen Urheberrecht steht ja ab 1.7. drin, da ist es novelliert worden, daß der Fotograf angemessen vergütet werden soll. Sollte man meinen, das ist ein Allgemeinplatz, das war vorher nicht der Fall und es ist so: die Honorare sind seit 20 Jahren nicht angestiegen. Und im Verhältnis zur künstlerischen Verwertung eines Bildes oder Fotos in einem Film oder Filmschnipsel in einem Film ist für uns ein größeres Problem, daß die Verlage, die auch sehr konzentriert arbeiten (es gibt nur noch fünf Großverlage in Deutschland) im Prinzip mit erpresserischen Methoden versuchen den Fotografen Rechte wegzunehmen, damit sie die weiter verwerten können. Das sind die großen Probleme heutzutage und natürlich: Die Zeitungen werden dünner, es ist weniger Werbung drin und damit ist auch weniger redaktioneller Teil da.

Bettina Schmieding: Kann man vom fotografieren noch leben?

Lutz Fischmann: Ja, es leben da viele von aber es wird enger.

Andreas Stopp: Umgekehrt gefragt, Herr Weber, solche, wie soll ich denn sagen... nachträglichen Rechteverhandlungen, die können doch ganz schön an den persönlichen Kragen gehen? Haben Sie da nicht bersönlich Angst, das Sie in Ihrer Existenz dann irgendwann getroffen werden wenn Sie irgendein Schnipsel verwendet haben von CBS Nachrichten zum Beispiel, und die drohen mit `ner Millionenklage, wie das in Amerika so üblich ist?

Karsten Weber: Also: Ganz klare Sache! Wir könnten das nicht bezahlen. Wir hatten zum Beispiel auch ein Firmensymbol, das ein Freund gemacht hat, zu Anfang des Films verwendet. Das war an Warner Brothers angelehnt und Warner Brothers hat dieses abgekupferte Firmensymbol untersagt zu verbreiten bei 500 000 DM Strafe. Das ist schon gleich zu Anfang unseres Films drin! Und wenn solche Sachen passieren werden wir wahrscheinlich mit dem schwarzen Edding über die Szenen rübergehen müssen. Also bezahlen könnten wir mit Sicherheit nicht! Also ich hab´ während der Produktion am Fil meinen Lebensunterhalt am Fließband einer Brauerei bestreiten müssen und das ist nicht aus dem Film gekommen und wir sind froh über Plusminusnull bei dem Projekt.

Bettina Schmieding: Ich stelle mir gerade vor, wie das aussieht, wenn man denn einen Filmstreifen mit einem Eddingstift behandelt!?! Guckt das denn noch jemand?

Martinas Stache: Der ganze Film ist mit Edding und Dremel und so weiter bearbeitet.

Lutz Fischmann: Aha?

(…)(Lücke in der Aufzeichnung)

Herlinde Kölbel: Also das war natürlich wieder ein medialer Wahlkampf . wenn ich denke, wie z.B. die beiden Duelle des Kanzlers, des Kanditaten aufbereitet wurden, nachberitet wurden, wie viel darüber geschrieben wurde, dann ist es natürlich so daß es über die Median alles geht. Die Medien haben gerade im Wahlkampf schon ne Macht wie über einen Kanzler, einen Kandidaten berichten (blabla)

Andreas Stopp: …was sich auch in Bildern äußern kann.

Herlinde Kölbel: auch in Bildern (blablabla)

Bettina Schmieding: Herr Fischmann, tut das weh wenn Frau Kölbel Sie, Ihre Berufsgruppe als Meute bezeichnet?

Lutz Fischmann: Nein, das war ja nur der Titel des Buches und es hatte vielleicht noch werbliche Gründe es so zu machen… Ich muß aber noch auf die Medienbericherstattung im Wahlkampf zurückkommen: Ich find einfach, wir haben vielleicht auch eine Journalismuskrise, die nicht nur in der Fotografie, sondern auch im Text begründet ist. Wenn ich im Spiegel ein Foto sehe, wie Herr Stoiber einen Sandsack in der Hand hält, weiß ich genau, daß er ihn zwei Sekunden in der Hand hatte und dann das Foto auch noch gedruckt wird, ja da erlebe ich mediale Verflachung, da fällt mir nichts mehr zu ein!

Andreas Stopp: Wir kommen leider zum Ende unserer Sendung. Schon! Wir hätten gerne eineinhalb Stunden miteinander gesprochen. Wir sollten kurz noch sagen, der Film über den wir gesprochen haben, der Dokumentar-Kinofilm Faites vos Jeux, wann läuft der? Ganz kurz!

Karsten Weber: Er läuft am 9. in Köln im Gebäude 9 am 14. und 15. in Kiel im Hansafilmpalst und Näheres gibt es über unsere Internetseite filmgruppe-chaos.de !

Andreas Stopp: Und wenn Sie sich für das schöne Buch von Herlinde Kölbel interessieren, es trägt den Titel "Schlafzimmer", es erscheit, glaube ich, diese Woche … ist bei Knesebeck erschienen… das war Markt und Medien für heute.

Bettina Schmieding: Und am Mikrofon verabschiedet sich Bettina Schmieding …

Andreas Stopp: …und Andreas Stopp!